Ostfriesland: drei Fenster

Ziel dieses Programms der Fryske Akademy gemeinsam mit der Ostfriesischen Landschaft ist es zu untersuchen, ob das von der Fryske Akademy entwickelte HisGIS auch ein Modell für Ostfriesland bilden kann, um historische Karten und Daten digital miteinander zu verknüpfen und auf moderne Weise Interessierten über das Internet zur Recherche und zum Studium anzubieten. In diesem Rahmen sind mit Unterstützung des von der Ems Dollart Region (EDR) geförderten niederländisch-deutschen Historiker-Netzwerk-Projekts drei Teilprojekte durchgeführt worden: 1. Die Time Machine der Stadt Leer, 1793-1950; 2. Die ‘Honart’-Vermessung der Oberemsischen Deichacht 1669-1673; 3. Die Gemarkungsgrenzen der Preussischen Landesaufnahme Ostfrieslands, 1877-1915.

1. Time Machine Leer 1793-1950
2. Oberemsische Deichacht 1669-1673
3. Gemarkungsgrenzen
Osfrieslands 1877-1915

 

 

1. Die Time Machine der Stadt Leer, 1793-1950

 

Projektbeschreibung

Dieses Projekt versucht auf der Grundlage des digitalisierten preußischen Urkatasters von ca. 1875 und eines grossen Datenpools von archivalischen Einwohnerverzeichnissen aus der Zeit zwischen 1793 und 1950 die Geschichte der Stadt Leer mit ihrer Umgebung räumlich zu erschliessen. Es wurde in den Jahren 2015-2017 ausgeführt unter Leitung von Prof. Dr. Hans Mol (Fryske Akademy) und Dr. Paul Weßels (Ostfriesische Landschaft), als gemeinsames Projekt der Ostfriesischen Landschaft, der Fryske Akademy, des Landesamts für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen, Regionaldirektion Aurich (LGLN), des Niedersächsischen Landesarchivs – Standort Aurich, der Stadt Leer und des Heimatmuseums Leer.

 

Das Kataster ist aus zwei Komponenten zusammengestellt: die Katasterkarten und die Parzellenregister oder Flurbücher. Für den Base-Layer sind nach digitaler Bereitstellung der georeferenzierten Karten der Preußischen Landesaufnahme durch die LGLN Aurich die Katasterkarten von Johan Feikens, Fryske Akademy, vektorisiert oder digital ”nachgezeichnet” worden. Für jede Parzelle wurden anschließend die relevanten Daten über Eigentümer, Kulturart, Steuerwert usw. aus dem Jahr 1875 eingetragen, erarbeitet von Manfred Wegner, Stadtarchiv Leer. Für das Kerngebiet der Stadt Leer sind auf diese Weise 17 Katasterkarten mit mehr als 3.500 Parzellen eingearbeitet worden.

Die Datenbank bezüglich der Häuser und ihrer Eigentümer und Bewohner, gleichfalls angelegt von Manfred Wegner, Stadtarchiv Leer, enthält möglichst alle relevanten Daten zu den Hausobjekten. Sie basiert im Wesentlichen 1. Auf den Hypothekenbüchern (1752–ca. 1880), 2. Auf den Brandkatastern (1793–1901) mit Bezeichnungen der Objekte, Besitzangaben und Besitzwechsel und 3. Auf Adressbüchern (1855–1950) mit Angaben zu den Bewohnern.

Bei der Fryske Akademy hat Johan Feikens die Kartendaten mit den Parzellen-und Anreicherungsdaten im Gis verknüpft. Anschließend hat Dr. Jan Hartmann, Fryske Akademy, für dieses Projekt eine angepasste Version des für das niederländische System verwendeten HisGIS-Viewers erstellt.

 

Das Preussische Urkataster von 1875 wurde eingeführt, um eine gerechte Grundlage für die Grundsteuer zu erhalten. Anders als beim älteren niederländischen Kataster von 1832 sind unbebaute und bebaute Parzellen in den Liegenschaftsregistern getrennt registriert worden. Deshalb werden also die Flurbücher mit unbebauten Parzellen und die Flurbücher mit Gebäuden hier auch in zwei separaten Schichten präsentiert. Diese Schichten können zusammen und komplementär benutzt werden.

Parzellen 1875

Diese Schicht enthält alle Parzellen, die auf den Katasterkarten von 1875 eingezeichnet sind. Klickt man eine Parzelle auf der digitalen Karte an, so öffnet sich ein Fenster mit der Blatt- und Parzellennummer, und es wird die Möglichkeit geboten, sich zu den Informationen aus dem Flurbuch durchzuklicken. Dabei öffnet sich ein zweites Fenster, das die diese Einzelparzelle betreffenden Flurbuchdaten anbietet.

Erläuterung zu den Daten in diesen Feldern:

Gebäude 1875

Diese Lage enthält alle Gebäude, die auf den Katasterkarten von 1875 eingezeichnet sind. Klickt man ein Gebäude auf der digitalen Karte an, dann öffnet sich ein Fenster mit den Feldern:

In den nächsten Feldern wird eine Abfolge der Hausnummern geboten, mit denen das betreffende Haus in der Zeit zwischen 1793 und 1950 in Leer nacheinander gekennzeichnet gewesen ist. In diesem Fenster eröffnen sich zwei Auswahlmöglichkeiten:

1. Hsnr. 1793-1950: In Form eines PDF-Dokuments werden hier alle von Herrn Wegner zusammengestellten Daten zur Häuser-Registratur zwischen 1793 und 1950 angeboten. (Siehe dazu die Erläuterungen unter der Startseite Info-Link Häuser 1793-1950.) Weiterhin bietet sich in diesem Fenster mit dem Feld *Link-Auszug die Nummer dieses PDFs. Das Feld *Art der Gebäude bietet die Unterscheidung zwischen „Hauptgebäude“ und „Nebengebäu­de“.

2. Flurbuch: Hier öffnet sich ein Fenster mit Flurbuchinformationen zur Gebäudeparzelle, wie sie bereits oben unter der Überschrift „Parzellen 1875” skizziert wurden.

Parzellen 1875 Kulturart

Diese Kartenschicht bietet eine Differenzierung der unbebauten Parzellen nach ihrer Kulturart (Ackerland, Weide, Wiesen, Garten usw.). Siehe dazu weiter die Legende.

Parzellen 2016

Diese Schicht, angeboten durch das Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen, Regionaldirektion Aurich (LGLN), bietet die Form der Parzellen an, wie sie 2016 vermessen worden sind. Sie dient dem Vergleich und verdeutlicht die historische Entwicklung. Selbstverständlich werden keine aktuellen korrespondierenden Daten zu Eigentümern, Flächeninhalt, Wert etc. angeboten.

Gebäude 2016

Diese Schicht, angeboten durch das Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen, Regionaldirektion Aurich (LGLN), bietet nur die Form der Gebäudeparzellen, wie sie 2016 vermessen wurden. Sie dient nur dem Vergleich und verdeutlicht die historische Entwicklung. Selbstverständlich werden keine aktuellen korrespondierenden Daten zu Eigentümern, Flächeninhalt, Wert etc. angeboten.

 

Die “Leer Time Machine” enthält fünf verschiedene Kartenlagen. Jede der Karten in diesen Gruppen kann am Bildschirm aufgerufen und so vor oder hinter die Datenlagen projiziert werden. Über einen Schieber lässt sich die Transparenz stufenlos regulieren.

1. Luftaufnahme 2016 und die Open Street Map 2016. Man kann die Karten separat mit einem Button in der Menüleiste am oberen Bildschirmrand ansteuern.

2. Scans der ursprünglichen Katasterkarten von 1875. Diese exakt georeferenzierten Karten wurden von der LGLN zur Verfügung gestellt. Sie können über den Button „Katasterkarten“ in der Menüleiste am oberen Bildschirmrand aktiviert werden.

3. Scans der Häuserkarten aus dem Stadtarchiv Leer. Sie lassen sich über den Button „Häuser 1793-1950“ in der Menüleiste am oberen Bildschirmrand aktivieren.

4. Unter „Übrige Karten“ werden eine topographische Kartenserie der Preußischen Landesaufnahme von 1898 und drei thematisch-topographische Karten aus dem Jahr 1938, angefertigt im Rahmen der Entwicklung eines Wirtschaftsplans für Leer, zusammengefasst. Sie beziehen sich auf die Bodengüte, die Bodennutzung und das Grundeigentum. Die Originalkarten werden im Stadtarchiv Leer aufbewahrt.

Die Scans lassen sich über den Button „Übrige Karten“ in der Menüleiste am oberen Bildschirmrand aktivieren.

 

 

2. Die ‘Honart’-Vermessung der Oberemsischen Deichacht 1669-1673

 

Projektbeschreibung

Dieses Projekt versucht die Kartierung und Katastrierung des Gebiets der Oberemsischen Deichacht durch den holländischen Ingenieur Johann von Honart aus den Jahren 1669-1673, welche die erste flurstückmäßige Vermessung eines größeren Gebiets in Ostfriesland in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts darstellt, über ein Parzellen-GIS interaktiv zugänglich zu machen. Es wurde in 2018 und 2019 ausgeführt unter Leitung von Prof. Dr. Hans Mol (Fryske Akademy) und Dr. Paul Weßels (Ostfriesische Landschaft), als gemeinschaftliches Projekt der Ostfriesischen Landschaft, der Fryske Akademy, des Landesamts für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen, Regionaldirektion Aurich (LGLN), und des Niedersächsischen Landesarchivs – Standort Aurich.

 

Die ursprüngliche Vermessung ist erfasst in einem “General Landt Register” und 20 Einzelkarten, die jeder eine Dorfmark abdecken. Das Landregister zählt mehr als 600 Seiten mit Angaben über die Grundstückseigentümer, die Grösse der Flurstücke in Grasen und Quadratruten sowie mitunter auch ergänzende Angaben über etwaige Besonderkeiten. Eine Nummerierung der einzelnen Flurstücke stellt den wechselseitigen Bezug zwischen Karte und Register her. Von diesem Landregister ist durch Herrn Wiard Hinrichs als ehrenamtlicher Mitarbeiter der Ostfriesischen Landschaft vor einigen Jahren eine vorläufige, nicht publizierte digitale Edition angefertigt worden, die für dieses Projekt verwendet werden konnte. Um die Karten und die darauf angegebenen Flurstücke präsentieren zu können, wurden die Karten erstmals mit Hilfe von Luftbildern, Karten der Preußischen Landesaufnahme und sämtlichen anderen digitalisierten Referenzkarten georeferenziert. Danach wurde jeder Parzelle eine Punktlokation gegeben, die mit der Registernummer der Parzelle verbunden werden konnte. Diese Arbeit wurde von Theo Delfstra und Thomas Vermaut, Mitarbeiter der Fryske Akademy, ausgeführt. Zum Schluss wurde von Dr. Jan Hartmann, Fryske Akademy, auch für dieses Teilprojekt eine angepasste Version des HisGIS-Viewers erstellt.

 

Die 20 Einzelkarten, die eine völlige Neuaufnahme des Terrains der Deichacht bieten (NLA AU, Rep. 244, Nr. 139a), haben alle denselben Massstab von ca. 1 : 8700. Eine ursprünglich angefertigte Generalkarte ist nicht im Original überliefert. Die Einzelkarten beziehen sich auf die Dorfmarken von Rorichum (a), Tergast (b), Simonswolde (c), Oldersum (d), Münkeborgum (e), Petkum (f), Widdelswehr und Jarssum (g), Gross-Borssum (h), Wolthusen (i), Uphusen (j), Riepe (k), Riepster Hammrich (l), Riepster Äcker (m), Ochtelbur (n), Auricher Meede und Barsteder Lande (o), Westerende (p), Holtrop (q), Timmel (r), Hatshausen (s), und Ayenwolde (t). Für letztere fünf Gemarkungen gilt, dass nur die Flurstücke kartiert worden sind, die zur Oberemsischen Deichacht gehörten. (Vgl. Stefan P ö t z s c h, Johann von Honart und Johann Baptist Regemort. Zwei niederländische Ingenieure und ihre ostfriesischen Karten, in: Emder Jahrbuch 62, 1982, S. 103-111.)

Das “General Landt Register” hat zwei Komponenten. Die erste bietet eine Katastrierung pro Parzelle, das zweite eine Gesamtregistrierung pro Besitzer, je nach Gemarkung. In der Internetpräsentation wird die Information auf dieselbe Weise in zwei Fenster angeboten. Im ersten Fenster findet man pro Flurstück

  1. die Gemarkung mit Folgenummer;
  2. die Angabe des Besitzers;
  3. die Grösse in Grasen von 300 Quadratruten nach dem holländischen Mass von Rijnland;
  4. die (umgerechnete) Grösse in Hektar (1 Gras = 4.258 m2);
  5. die Qualität der Parzelle (in Ziffern von 1 bis 10; je höher die Zahl, um so niedriger der tatsächliche Wert;
  6. die Zugehörigkeit zu einem Hof.

Die Gesamtregistrierung pro Besitzer nach Gemarkung, die im zweiten Teil des “General Landt Registers” aufgenommen worden ist, wurde in der Internerpräsentation im Fenster Eigentümer eingearbeitet. Sie listet für jeden, nach Vornamen aufgeführten Besitzer den Gesamtbesitz pro Gemarkung, eine eventuelle Flurbezeichnung, den Gemarkungscode, die Nummer des Hofs, die Gesamtgröße des Hofs (in Grasen und in Hektar) und abschließend die “reduzierte” Gesamtgrösse in Grasen. Dieser Wert zeigt an, dass für viele Höfe nur ein Teil der Flurstücke für die Deichpflege belastet werden konnte.

 

 

3. Gemarkungsgrenzen der Preussischen Landesaufnahme Ostfrieslands, 1877-1915

 

Projektbeschreibung

In diesem Projekt sind für die ostfriesischen und friesischen Gebiete zwischen Ems und Weser die Kartenblätter 1:25.0000 der Preussischen Neuaufnahme aus den Jahren 1877–1915 zugänglich gemacht. Es wurde in 2018 und 2019 ausgeführt unter Leitung von Prof. Dr. Hans Mol (Fryske Akademy) und Dr. Paul Weßels (Ostfriesische Landschaft), als gemeinschaftliches Projekt der Ostfriesischen Landschaft, der Fryske Akademy, und des Landesamts für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachsen, Regionaldirektion Aurich (LGLN). Die Blätter werden georeferenziert angeboten, indem sie nahtlos miteinander verbunden worden sind. Der besondere Wert der angebotenen Karten besteht darin, dass hier die auf den Blättern oft nur vage eingezeichneten Gemarkungsgrenzen vektorisiert wurden, damit sie leichter zu interpretieren sind. Damit können sie in gesonderten Schichten gegen den Hintergrund verschiedener anderer Karten und Datenschichten wie Boden- und Höhenkarten präsentiert werden.

 

Die Dorfgemarkungen in den Marsch- und Geestgebieten stammen im allgemeinen aus dem Mittelalter, obwohl durch die Urbarmachung vor allem in Heide- und Moorgebieten seit dem 17. Jahrhundert neue Gemarkungen entstanden sind (Fehne, Moor- und Heidekolonien). Soweit auch eigene neue Kirchengemeinden gebildet worden sind und die neuen Gemarkungen nicht mit den alten Kirchspielen zusammenfallen, bietet sich in vielen Fällen die Möglichkeit, die alten Kirchspiele aus dem Spätmittelalter zu rekonstruieren. Damit entsteht ein historisch-räumlicher Rahmen, in dem Gebäude und Institutionen wie Kirchen, Klöster, Burgen und Höfe plaziert und so auf ihre zentralen Funktionen erforscht werden können.

Die Vektorisierungsarbeit wurde vom Geomatiker Thomas Vermaut, Fryske Akademy, gemacht. Er hat auch die Präsentation des Projekts in einem angepassten Viewer versorgt. Die Leitung und Koordination lagen bei Prof. Dr. Hans Mol (Fryske Akademy) und Dr. Paul Weßels (Ostfriesische Landschaft).